KunstPraxis

Eine Praxis ist eine Tätigkeit und ein Verfahren. Aber sie ist auch ein Tätigkeitsraum. Jede Kunstpraxis erfindet sich jeweils mit ihrem Arbeitsraum.

Eine Befragung der freien Szene der Darstellenden Kunst und ihrer Arbeitsform setzt zumeist an einer Diskussion der mangelhaften Finanzierung und Förderung der freien Szene an, sowie in der Problematisierung der Ablösung des romantischen Modells des kritischen Künstlers/der kritischen Künstlerin in der aktuellen politisch-ökonomischen Entwicklung vom Künstler/Künstlerin als paradigmatische Figur in der Arbeitswelt der postdisziplinären Flexibilisierung „mit Zwang zur kreativen Selbstverwirklichung“ (Menke/Rebentisch). Stand in den 80er Jahren der Begriff „frei“ in der „freien Szene“ noch für „Selbstbestimmung, Autonomie, Unabhängigkeit von Markt & Staat“, steht er heute für Erfüllung der Anforderungen des Marktes in Abhängigkeit von Stadt/Staat und freier Wirtschaft (Alexander Karschnia).

Die 2011/2012 vom Kulturdezernenten der Stadt Frankfurt eingesetzte Perspektivkommission zur Evaluation der Frankfurter freien Theaterszene beklagte sich in ihrem Abschlussbericht besonders über die fehlende basale Förderung für Theater der nachwachsenden Künstlergenerationen.

Die Förderstrukturen und Finanzierungsmodelle für die freie Szene in Frankfurt a.M. sind überdenkenswert. Doch gerade in den kulturpolitischen Debatten ist es vonnöten, das künstlerische Produzieren selbst zu befragen und dessen Organisationsformen in Projekten in seiner einzigartigen ästhetischen Qualität neu zu diskutieren. Die Naxoshalle, Relikt der Industriekultur deren heutige Nutzung für künstlerische Zwecke auf eine Besetzung im Jahr 2000 durch das Theater Willy Praml beruht, ist ein idealer Ausgangspunkt, um über die politisch-ökonomischen Entwicklungen innerhalb der ästhetischen Entscheidungen nachzudenken. Die Naxoshalle als Produktionsort provoziert die Thematisierung der Kunstpraxis in zweierlei Hinsicht: als Verfahren (Positionierung zum Produktionsort) und als Arbeitsraum (der als Verortung ein Bezugssystem künstlerischen Arbeitens bedeutet).

Es geht dabei weniger um eine Aufarbeitung der konkreten Geschichte des Gebäudes, sondern um eine Bearbeitung des Gebäudes in künstlerischen Formen des Implantierens. Implantieren heißt einpflanzen, einsetzen, stecken – also eine Einlagerung in oder Überlagerung des Raumes. Implantieren als Format der gemeinsamen Bepflanzung eines Ortes sucht die Auseinandersetzung mit Fragen nach dem Stellenwert des Ortes im künstlerischen Produzieren. Dieses Verhältnis von künstlerischem Handeln zu seiner Verortung soll gemeinsam ausgelotet und innerhalb der ästhetischen Positionen die inhärenten kulturpolitischen Fragen diskutiert werden. Anhand der im Rahmen von Implantieren auf Naxos präsentierten Arbeiten soll nicht nur die Frage gestellt werden nach dem, was KünstlerInnen brauchen, sondern nach dem, was Kunst kann, wie sie innerhalb einer Institution, einer Stadt, einer Gesellschaft operiert und operieren könnte.

KunstPraxis schließt an den bundesweiten und europaweiten Fragestellungen bezüglich Organisations- und Operationsformen in den freien Darstellenden Künsten an. Dabei startet es den Versuch, sogleich eine neue Operationsform zu probieren und Operationsformen zu diskutieren.


Zur künstlerischen Praxis der an Implantieren auf Naxos 2013 beteiligten Künstler*innen ist eine umfangreiche Online-Publikation mit Texten, Interviews und Gesprächen zur Nachbetrachtung des Festivals erschienen, die hier heruntergeladen werden kann.